Step by step

Ganze drei Stunden letzte Nacht geschlafen.
Geheult. Geheult. Und nochmal geheult.
Mit verquollenen Augen zur Arbeit. Die ganze Zeit auf diesem schmalen Grad. In Gefahr jederzeit die Haltung zu verlieren. Ich hab sie verloren. Bei der Kollegin hemmungslos geheult.
Ich kann so nicht mehr. Ich bin fertig. Ich habe Angst; Angst in einer Sackgasse zu stecken, aus der ich nie wieder raus komme.
Nicht mehr lang und ich 34. Nichts von dem, was ich mir erträumt habe, gibt es in meinem Leben; ganz im Gegenteil, alle Träume brechen zusammen. Mein Leben bricht zusammen. Ich breche zusammen. Einen Despoten zum Chef. Speichelleckende Idioten als Kollegen. Ein Mann zum Kollegen, den ich liebe, der aber eine andere heiraten wird. Zwei Fehlgeburten in 2,5 Jahren. Seelisch ein Wrack. Körperlich auch.

Dieses WE frei. Ich will hier weg. Ich fahr heim.
Mittwoch Termin beim Psycho.
Vielleicht hilfts.
Ich kann einfach nicht mehr.

Rotwein auf leeren Magen.


ltz, 04. Nov 05
Ach Menno.

Drücke fest die Daumen!!! Durchhalten. Befehl! Und im Zweifelsfall eine Detektei aufmachen. Darin sind Sie gut.

ella, 04. Nov 05
Ach, schnickschnack. Ich bekomm doch noch nicht mal diesen blöden Namen und die Adresse raus.

arboretum, 05. Nov 05
Was wollen Sie denn mit dem Namen und der Adresse?

ella, 06. Nov 05
Rotweinsuff.

kid37, 04. Nov 05
Ach, Frau Ella. Was kann man in so einer Situation sinnvoll von außerhalb sagen? Lesen Sie mal Ihr Archiv, so ein, anderthalb bis zwei Jahre zurück. Das ist doch dieselbe Schleife... eine ähnliche Bilanz irgendwie.

Ich verstehe ehrlich gesagt den Druck nicht, den Sie sich mit Ihrem, mit Verlaub, lachhaften Alter ausüben. 34? So what? Da könnten Sie theoretisch noch eine halbe Fußballmannschaft in die Welt setzen, wenn es darum geht. Und eine Menge anderer, fast wichtigerer Dinge in Ihrem Leben auch ändern. Machen Sie sich mal eine sachliche, ehrliche Liste, von den Dingen, die Sie erreicht haben - für sich. Lassen Sie sich nicht von bekloppten Chefs herabsetzen oder durch verquaste emotionale Geschichten verblenden oder gar korrumpieren.

Sie können doch was. Und diesen Kollegen wollen Sie gar nicht. Sie wollen die Idee, die Sie von diesem Kollegen haben. Das ist der aber nicht. Das liegt auf der Hand und tief im Innern spüren Sie das auch.

Ich bin jahrelang so einer bekloppten Vorstellung und Projektion hinterhergerannt - mit dem Ergebnis, völlig vernagelt gegenüber Menschen gewesen zu sein, die meine Aufmerksamkeit und Zuneigung viel eher verdient gehabt hätten. Leider erreichen die einen nicht, wenn es darauf ankommt. Sie werden es mir nicht glauben wollen, aber es ist so und nicht anders: Sie lieben diesen Kollegen nicht. Sie sind in eine Vorstellung von einem Leben verliebt, das Sie derzeit nicht haben.

Es kommen aber auch andere Zeiten. Machen sie was anderes! Erobern Sie sich andere Interessen, Lebensbereiche. So werden Sie auch (wieder) interessant für andere.

34! Ich wünschte, ich wäre 34! Da war ich King of the World, hatte keine grauen Haare und bekam noch einen hoch. <Pappnasemodus>Ehrlich, gezz.</Pappnasemodus>

ltz, 04. Nov 05
Also so wie Herr Kid es sagt, klingt es allemal besser, als das was ich zu sagen hätte. Inhaltlich wäre es ähnlich bis gleich.

Also hören Sie auf diese weisen Sätze.

ella, 04. Nov 05
Herr Kid, Sie springen hauptsächlich auf den Kerl an. Aber der ist nur ein Punkt in einer langen Reihe. Viel schwerwiegender ist grad die Job-Sache. Ja, und ich bin mir der "Schleife", in der ich mich da grad befinde durchaus bewusst. Vielleicht ist das sogar das schlimme daran. Wenn ich es gar nicht merken würde, wäre es vielleicht auch gar nicht so schlimm. Aber grad diese Wiederholung macht mir solche Angst. Einmal, ja einmal kann jeder mal Pech haben und auf die Schnauze fliegen. Aber auf dieselbe Art und Weise ein zweites Mal und hingehalten werden, und wieder auf die Schnauze fliegen? Was hab ich an mir, dass man meint, das mit mir machen zu können, dass alle, ob es um Chefs oder um sonstige Kerle geht, immer wieder grlauben, die Frau Ella, mit der kann man es ja machen, die kann man verscheißern, die kann man hinhalten, die kann man ausnutzen, die kann man belügen? Ich habe langsam das Gefühl, gar nichts zu können oder zumindest nichts anderes als das, was ich mache, und das wohl nicht mal gut genug. Es ist diese Aussichtslosigkeit, diese Erkenntnis machen zu können, was ich will, mich noch so sehr abzurackern, er wird immer was finden, was nicht seinen Vorstellungen entspricht und das wird immer ein Grund sein, sich nicht an sein Wort halten zu müssen, bzw. mich weiter auf später zu vertrösten. Und in der Zeit rinnt mein Leben an mir vorbei, während ich nur auf der Hut bin, was als nächstes kommen könnte. Ich hab meine Kündigung in den letzten Wochen schon zweimal geschrieben und wieder gelöscht, die Stellenanzeigen durchforstet, aber ich kann das alles nicht, was die da suchen. Und ausgerechnet dieser Kollege, der wirklich grad nur ein Punkt in dieser langen Kette ist, ausgerechnet der macht mir Mut. Ja, ich wünsche mir eni anderes Leben als das, welches ich habe. Das ist allerdings nichts neues, das war auch schon so als ich noch 16 war. Und ja, 34 mag noch nciht so sehr alt sein, aber langsam bekomme ich einfach Angst. Was ist wenn es nie gut geht? ... und das sagt und fragt sich die, die vor 10 Jahren immer gesagt hat "Kinder? Ne, das sollen mal die anderen machen, das ist nix für mich, da bin ich nicht der Typ." Und heute gibt es kaum ein schöneres Gefühl als so einen kleinen Wurm in den Armen zu halten, oder mit der Nachbarstochter von oben meiner "Mimi" durch die Wohnung zu folgen oder mit ihr Bilderbücher anzusehen und die "Mimi" zu suchen, und zu staunen wie eine 1,5-jährige eine Libelle im Buch sieht und freudig "Balla" ruft ...

blue sky, 04. Nov 05
Dieser Punkt, wenn man sich nur noch klein und ausgeliefert fühlt, die Sehnsucht alle Kontrolle übernommen hat - ich habe ihn nur überwinden können, nachdem irgendwann die Grenze zur Lähmung überschritten war und endlich, endlich mein Rest von Selbstschutz eingesetzt hat. Verdammt, so klein bin ich nicht, wie ich mich mache, dachte ich, irgendwie aufstampfend wie ein trotziges Kind. Und dann: Abstand. Abstand vom Objekt der Sehnsucht, Abstand von der lähmenden Umgebung. Irgendwann richtige Wut, auch auf mich. Erkennen, dass zerbrochene Träume erst dadurch zum Albtraum geworden sind, dass ich an ihnen noch so lange festgehalten hatte, ihnen zuliebe die ganze Realität verbogen hatte. Der Wunsch, endlich wieder selbst derjenige zu sein, der mein Leben bestimmt und nicht mehr getrieben zu werden. Um dann erstaunt festzustellen, wie sehr ich plötzlich für Grenzen und einen gewissen Egoismus respektiert wurde, wovor ich doch vorher soviel Angst hatte.

Ich weiß nicht, ob das weiterhilft. Aber ich wünsche Ihnen reichlich von dieser anfänglichen Wut.

kid37, 04. Nov 05
Herr Blue Sky, das ist verdammt richtig.

arboretum, 04. Nov 05
Nur ganz schnell, muss gleich weg zum Arzt. Wenn einem bestimmte Situationen immer wieder passieren, liegt die Vermutung nahe, dass es da bei einem selbst bestimmte Verhaltensmuster gibt, die das begünstigen. Was sie wahrscheinlich auch vermuten und deshalb zu Ihrer/m Therapeutin/en wollen. Ich glaube, das ist eine gute Idee.
Was Ihre berufliche Situation angeht, so ist das sehr verständlich, dass Sie jetzt so verzagt sind, das wäre fast jeder. Sie können aber etwas, Sie glauben nur gerade nicht daran. Vielleicht wäre ein Coach da hilfreich, zum einen, um zu schauen, wie Sie akut die Situation wieder mehr in den Griff bekommen und erträglicher gestalten können, zum anderen auch, um zu sehen, welche Alternativen es für Sie gäbe und wie Sie dahin kommen.
Lilypie Kids Birthday tickers