Morning after

Um irgendwann vor 6:30 Uhr wach geworden. Ich weiß nicht genau wann. Ich weiß nicht genau wie lange es gedauert hat, die völlig verklebten und zu gequollenen Augen soweit zu öffnen, dass ich die Uhrzeit erkennen konnte.
Der Schädel brummt. Die Augen so dick, dass ich noch nicht weiß wie ich damit heute zur Arbeit gehen soll.
Den Rat von gestern Nacht annehmen und krank machen? Nein, das hat auch irgendwie was mit Stolz und Trotz zu tun. Ich hab noch nie "krank gemacht". Die Augen haben ja noch etwas Zeit abzuschwellen. Aspirin kann ich auf dem Weg besorgen.


Ein wunderschöner Abend war es.
Auf dem Balkon gesessen. Salat geschnippelt. Er hat geduscht. Wir haben in der Küche getanzt, ähm, na ja, die Hüften geschwungen, uns aneinander gerieben, uns leidenschaftlich geküsst. Seine nassen Haare tropften noch, fühlten sich kühl an meinem Hals an. Ich wollte nicht ins Bett. Noch nicht. Ich wollte nicht nur hören, dass ich nicht nur eine Bettgeschichte bin, sondern auch spüren, dass ich nicht so behandelt werde.
Wir schleppen den Tisch auf den Balkon. Essen. Trinken. Reden. Er weiß selbst, dass alles schwierig ist, dass diese Schwierigkeiten in absehbarer Zeit gelöst werden müssen. Ich sage nicht wann, ich sage nur, dass. Er phantasiert was von Alternativen, von denen eine ja eine Ménage a troi wäre. Er lacht dabei, macht den Eindruck, dass es ein Scherz ist. Dennoch, vorsichtshalber mache ich klar, dass das für mich keine Alternative ist.
Bei fast allem worüber wir reden kommen wir immer wieder auf "Entscheidung". Ein ungutes Gefühl. Aber ich genieße es einfach so da zu sitzen, zu reden, seine warme feste Hand auf meinem Oberschenkel unter dem Rock zu spüren, über seinen Unterarm zu streichen, seine Hand dort zu halten. Doch sie bleibt nicht dort, sie fordert, spielt, reizt, will mehr. Als ich mit meinem Blick in seine Augen nicht mehr starr standhalten kann, gehen wir rein.
Ich freue mich darauf, ihn zu spüren, seine Haut, seine Bartstoppeln, in dieses schmale Gesicht über mir zur sehen, es in beide Hände zu nehmen. Dieser Ausdruck dann in den Augen. Einerseits wie ein kleiner großer Junge - und im Prinzip ist er das auch - andererseits hat noch niemand mir so mit seinen Augen so deutlich "Ich finde Dich umwerfend - ich will Dich" gesagt.
Der Sex? Ich hab ihn genossen in diesen Nächten, obwohl ich durchaus schon besseren, vor allem langsameren, hatte. Aber er hatte auch phantastische Momente. Sex ist eh immer wieder von neuem eine Übungssache, ein Einspielen aufeinander. Die Ansätze waren gut.
Mittendrin kommt ihm dann doch tatsächlich noch die Verhütung in den Kopf. Sicherer Tag. Er scheint mir nicht zu vertrauen. Coitus Interruptus. Ha ha, als wenn das besser wäre. Aber gut, muss er halt auffangen.

Als er aus dem Bad zurück kommt, vergräbt er seinen Kopf in meinem Bauch, an meiner Brust. Seufzt. Dass er sich sich zerrissen fühlt, dass er das so nicht weiter kann, dass er wohl doch jetzt schon Verantwortung übernehmen muss, dass er nicht weiß was er machen soll, dass eine Entscheidung her muss.
Ich bin versucht heraus zu platzen, dass er, wenn er sich jetzt hier direkt nach dem Sex von mir verabschieden will, dann doch bitte wenigstens den Anstand haben soll, das direkt zu sagen und nicht auch noch vornehm verklausuliert im weiten Bogen um den heißen Brei tun soll. Doch ich reiße mich zusammen, will nicht voreilig den Mund aufreißen, zwinge mich, abzuwarten, hoffe, dass es doch noch gut ausgeht, streiche durch sein Haar, über seinen Rücken, seine Hand, genieße den Kopf auf meinem Bauch.
Zum ersten Mal spricht er dieses Wort "verliebt" aus, nicht nur "Gefühle haben". Er, der gelernt hat, dass Männer Gefühle nicht zeigen, der Schwierigkeiten hat darüber zu reden, der immer hofft, dass all die Worte drum herum schon richtig verstanden werden. Es sei schlimm, dass er sich so heftig und schnell in mich verliebt habe. Verrückt. Für die meisten ist es etwas schönes, sich zu verlieben.
Er kann E. nicht verlassen! Er wird das hier nicht weiter führen. Wumm! Es ist raus.
Es seien tiefe Gefühle da. Er könne die Familie nicht enttäuschen. blablablablablabla Und nein, er könne seine Gefühle auch nicht einfach so abschalten, sie wären auch in Zukunft wohl weiter da. Aber Job sei Job und das könnten wir trennen und ... blablabla
Mir laufen die Tränen runter. Er habe mich nicht verletzen wollen. blablablabla Handlungen und Ergebnisse sind entscheidend, nicht die Absicht oder Nicht-Absicht!

Er ist gegangen und das große Heulen und Trinken beginnt.

Der Mensch, der mich am besten kennt, ist für mich da. Danke!


nase, 22. Jun 05
:o(

kinky, 22. Jun 05
Mensch Ella! *drück*

ella, 22. Jun 05
tja, such is life and life sucks ... !!!

inzwischen hab ich den ersten horrortag bei der arbeit ja fast überstanden ....

ella ohara, 22. Jun 05
Never fuck in the factory ...
Denn wenn's nicht klappt, ist die Tragik noch größer. Mein Beileid, Namensschwester.

magelan3, 22. Jun 05
Ich bin versucht ihn mit einem Schimpfwort der härteren Sorte zu bezeichnen.
Aber auf jeden Fall scheint er es mir auf keinen Fall wert, daß du dich wegen ihm betrinkst, alleine wegen Frust betrinken führt schnell zu noch größeren Problemen...

ella, 22. Jun 05
Aber im ersten Moment lindert es erstmal durch Abstumpfung.

... ich hingegen kann nicht einmal so richtig auf ihn schimpfen, einfach nur wütend sein ... ich kann einfach nur traurig sein.

arboretum, 22. Jun 05
Er habe mich nicht verletzen wollen.

Das ist dann der Moment, wo ich sehr zynisch werde und denjenigen, der diesen Satz loslässt, auseinandernehme, und zwar so, dass es ihm wirklich wehtut. Strafe muss sein für oviel Scheinheikigkeit. Meistens zerfließen die ja noch vor Selbstmitleid, wenn sie diese hohle Phrase dreschen.

Tut mir leid, dass es für Sie doch so schlecht ausging.

ella, 23. Jun 05
Leider habe ich in dem Moment nicht mehr als die Sache mit den Handlungen, Ergebnissen und Absichten heraus gebracht.

Danke. Aber es haben mich ja auch alle vorher gewarnt. Es war irgendwie absehbar. Soviel muss ich mir selbst schon zuschreiben.
Lilypie Kids Birthday tickers