Dienstag, 13. Mai 2008, 12:59
Löcher und Furchen
Eine Geschichte, die ich im Netz entdeckt habe. Sie wirkt etwas platt, weil "so einfach", aber in den einfachsten Worten steckt ja manchmal die reinste Wahrheit.
Das perfekte Herz
Eines Tages stand ein junger Mann mitten in der Stadt und erklärte, dass er das schönste Herz im ganzen Tal habe. Eine große Menschenmenge versammelte sich und sie alle bewunderten sein Herz, denn es war perfekt. Es gab keinen Fleck oder Fehler in ihm. Ja, sie gaben ihm Recht, es war wirklich das schönste Herz, das sie je gesehen hatten. Der junge Mann war sehr stolz und prahlte noch lauter über sein schönes Herz.
Plötzlich tauchte ein alter Mann vor der Menge auf und sagte:
„Nun, Dein Herz ist nicht mal annähernd so schön wie meines!“
Die Menschenmenge und der junge Mann schauten das Herz des alten Mannes an. Es schlug kräftig, aber es war voller Narben, es hatte Stellen, wo Stücke entfernt und durch andere ersetzt worden waren. Aber sie passten nicht richtig und es gab einige ausgefranste Ecken...genau gesagt... an einigen Stellen waren tiefe Furchen, wo ganze Teile fehlten. Die Leute starrten den alten Mann an: Wie kann er behaupten das sein Herz schöner sei?
Der junge Mann schaute auf des alten Mannes Herz, sah dessen Zustand und lachte:
„Du musst scherzen“, sagt er, „ Dein Herz mit meinem zu vergleichen. Meines ist perfekt und Deines ist ein Durcheinander aus Narben und Tränen.“
„Ja“, sagte der alte Mann, „ Deines sieht perfekt aus, aber ich würde niemals mit Dir tauschen. Jede Narbe steht für einen Menschen, dem ich meine Liebe gegeben habe. Ich reiße ein Stück meines Herzens heraus und reiche es ihnen und oft geben sie mir ein Stück ihres Herzens, das in die leere Stelle meines Herzens passt. Aber weil die Stücke nicht genau sind, habe ich einige raue Kanten, die ich sehr schätze. Denn sie erinnern mich an die Liebe, die wir teilten.
Manchmal habe ich auch ein Stück meines Herzens gegeben, ohne dass mir der Andere ein Stück seines Herzens zurückgegeben hat.
Das sind die leeren Furchen. Liebe geben heißt manchmal ein Risiko einzugehen. Ach wenn diese Furchen schmerzhaft sind, bleiben sie offen und auch sie erinnern mich an die Liebe, die ich für diesen Menschen empfinde.
Ich hoffe, dass sie eines Tages zurückkehren und den Platz ausfüllen werden.
Erkennst Du jetzt, was wahre Schönheit ist?“
Der junge Mann stand still da und Tränen rannen über seine Wangen. Er ging auf den alten Mann zu, griff nach seinem perfekten Herz und riss ein Stück heraus. Er bot es dem alten Mann mit zitternden Händen an. Dieser nahm das Angebot an und setzte es in sein Herz.
Er nahm dann ein Stück seines alten Herzens und füllte damit die Wunde in des jungen Mannes Herz. Es passte nicht perfekt, da es einige ausgefranste Ränder hatte.
Der junge Mann sah sein herz an, nicht mehr perfekt, aber schöner als je zuvor, denn er spürte die Liebe des alten Mannes in seinem Herzen fließen. Sie umarmten sich und gingen weg.
Seite an Seite.
Narben auf dem Körper bedeuten, dass man gelebt hat....
Narben auf der Seele bedeuten, dass man geliebt hat...
Noch schmerzt die frischeste Narbe zu sehr, reißt immer mal wieder auf und lenkt so übermäßig Aufmerksamkeit auf sich, aber irgendwann werde ich auch diese Narbe schätzen, so wie den Menschen.
okavanga,
13. Mai 08
eine sehr schöne geschichte!
oskar-kasimir,
20. Mai 08
nur wer ganz geliebt hat, vorbehaltlos, ohne Netz und doppelten Boden, wer diese Liebe scheitern sah, der weiß, was Leben ist. Und nur der hat wohl die Voraussetzung zur Entwicklung einer großen Lebensweisheit und innerer Gelassenheit. Hofft jedenfalls für Sie und sich und alle anderen: Ihr OSKAR.
ella,
20. Mai 08
Da bin ich etwas zwiespältig. Hieße ja, man kann nur verstehen, was man selbst schon erlebt und erfahren hat. Oft genug glaube ich genau das, wenn es so unbegreiflich ist, dass jemand Empfinden und Verhalten nicht versteht, wo es für mich doch so deutlich und offensichtlich ist. Aber wenn ich mir dann wünsche, dass er versteht, dann müsste ich ihm, wenn das so stimmt, ja auch Schlechtes, den Schmerz wünschen.
Und ein wenig sträube ich mich auch innerlich dagegen, weil es etwas von diesem verstaubten kirchlichen Glauben (oder zumindest dem wie er früher mal propagiert wurde) hat, dass Du erst leiden musst, um Glück zu erfahren, erst durch die Hölle musst, um erlöst zu werden.
Na ja, und außerdem, wenn wir nur verstehen könnten, was wir selbst erlebt haben, dann würde die Menschheit doch auch reichlich auf der Stelle treten und z.B. Therapeuten wären gar nicht in der Lage zu helfen, wenn sie nicht sämtliche Krankheiten selbst durchgemacht hätten.
Aber vielleicht wird man ein wenig großzügiger mit anderen, etwas nachsichtiger, wenn man Schmerz wegen eigener Erfahrung nachempfinden kann.
Ach, ich hab die Weisheit auch wahrlich nicht mit Löffeln gefressen ... mir würde die innere Gelassenheit schon ausreichen.
Und ein wenig sträube ich mich auch innerlich dagegen, weil es etwas von diesem verstaubten kirchlichen Glauben (oder zumindest dem wie er früher mal propagiert wurde) hat, dass Du erst leiden musst, um Glück zu erfahren, erst durch die Hölle musst, um erlöst zu werden.
Na ja, und außerdem, wenn wir nur verstehen könnten, was wir selbst erlebt haben, dann würde die Menschheit doch auch reichlich auf der Stelle treten und z.B. Therapeuten wären gar nicht in der Lage zu helfen, wenn sie nicht sämtliche Krankheiten selbst durchgemacht hätten.
Aber vielleicht wird man ein wenig großzügiger mit anderen, etwas nachsichtiger, wenn man Schmerz wegen eigener Erfahrung nachempfinden kann.
Ach, ich hab die Weisheit auch wahrlich nicht mit Löffeln gefressen ... mir würde die innere Gelassenheit schon ausreichen.
bildermacher,
23. Mai 08
Ich denke Du vermischt den Blick von Innen mit dem Blick von Außen. Dem Therapeuten (oder Ärzten im Allgemeinen) reicht der Blick von Außen. Er muß in keinster Weise verstehen wie sich etwas anfühlt, sondern es reicht, wenn er nach bewährten "Kochrezepten" arbeitet (Therapie-Handbücher etc.pp.)
Übertrieben gesagt: ein Tischler versteht auch nicht wie sich ein Baum fühlt, er kann aber daraus durchaus Normtüren herstellen.
Was den Blick von Innen betrifft:
Je mehr Du selbst erlebt und am eigenen Leib erfahren hast, umso leichter fällt Dir das Einfühlen in andere, die ähnlichen Situationen/Leiden ausgesetzt sind oder waren. Darauf basieren ja z.B. Selbsthilfegruppen, weil die anderen verstehen und ihre persönlichen Hilfsstrategien teilen können.
Lieben Gruß,
Tom(agine;)
Übertrieben gesagt: ein Tischler versteht auch nicht wie sich ein Baum fühlt, er kann aber daraus durchaus Normtüren herstellen.
Was den Blick von Innen betrifft:
Je mehr Du selbst erlebt und am eigenen Leib erfahren hast, umso leichter fällt Dir das Einfühlen in andere, die ähnlichen Situationen/Leiden ausgesetzt sind oder waren. Darauf basieren ja z.B. Selbsthilfegruppen, weil die anderen verstehen und ihre persönlichen Hilfsstrategien teilen können.
Lieben Gruß,
Tom(agine;)
ella,
24. Mai 08
Hm, klingt logisch, als ob da was dran wäre, zumindest was die Therapeuten und Ärzte betrifft (wobei zu hoffen bleibt, dass Ihre "Kochrezepte" inzwischen ausreichend getestet wurden und funktionieren - da bin ich mir noch nicht so ganz sicher, aber gehören ja auch immer zwei dazu).
Was aber ist mit den Nicht-Therapeuten, die bestimmte Schmerzen nie selbst erlebt haben? Ist es aussichtslos, dass sie verstehen bis es ihnen widerfährt? Wie schaffen einige es dennoch ohne diese Erlebnisse zu dieser inneren Gelassenheit und zumindest scheinbarer Weisheit?
Nachtrag: eben ganz vergessen bei dem ganzen Gedankengewusel - schön von Dir auch mal wieder zu lesen. Liebe Grüße zurück gen Süden!
Was aber ist mit den Nicht-Therapeuten, die bestimmte Schmerzen nie selbst erlebt haben? Ist es aussichtslos, dass sie verstehen bis es ihnen widerfährt? Wie schaffen einige es dennoch ohne diese Erlebnisse zu dieser inneren Gelassenheit und zumindest scheinbarer Weisheit?
Nachtrag: eben ganz vergessen bei dem ganzen Gedankengewusel - schön von Dir auch mal wieder zu lesen. Liebe Grüße zurück gen Süden!